EU-Arbeitsbedingungenrichtlinie: das neue Nachweisgesetz
In der EU-Arbeitsbedingungenrichtlinie gab es Neuerungen im Nachweisgesetz. Rechtsanwalt Daniel Roth verschafft Ihnen einen kurzen Überblick über die Änderungen und die damit verbundenen Erweiterungen Ihrer Pflichten als Arbeitgeber.
Ab dem 1. August 2022 treten umfassende Neuerungen im Nachweisgesetz (NachwG) und weitreichende Änderungen im Teilzeit- und Befristungsrecht (TzBfG) in Kraft. Diese Änderungen wirken sich unmittelbar auf zukünftige Arbeitsverhältnisse, aber auch auf bestehende Arbeitsverhältnisse aus und sind mit einer erheblichen Ausweitung der Arbeitgeberpflichten verbunden. Was Sie zukünftig besonders beachten müssen, soll Ihnen dieser Beitrag aufzeigen.
Welche Neuerungen beinhaltet das aktualisierte Nachweisgesetz?
Das neu verabschiedete Nachweisgesetz enthält nicht nur eine Ausweitung des Anwendungsbereichs (er gilt nun ausnahmslos für alle Arbeitnehmer), sondern geht mit einer erheblichen Erweiterung des Katalogs der nachzuweisenden Bedingungen gemäß § 2 I 2 NachwG einher. Zudem werden allgemeine Regelungen, wie zum Beispiel Fristen und die Folgen von Verstößen, neu aufgenommen. Schließlich werden neue Regelungen für befristet sowie in Teilzeit beschäftigte Arbeitnehmer eingeführt.
Künftig gilt bei Neueinstellungen ab dem 1. August 2022, dass die Arbeitgeber am ersten Tag der Arbeitsleistung eine Niederschrift mit den wesentlichen Angaben über das Arbeitsverhältnis, welche in § 2 NachwG aufgeführt sind (Name und Anschrift der Vertragsparteien, Arbeitsentgelt, Arbeitszeit, Pausen) zu erstellen, zu unterzeichnen und dem Arbeitnehmer auszuhändigen haben.
Diese Grundangaben müssen folglich am ersten Tag der Arbeitsleistung schriftlich niedergelegt und ausgehändigt werden. Weitergehende Informationen (beispielweise: Beginn, Befristungen, Arbeitsort, Tätigkeit, Probezeit, Arbeit auf Abruf, Überstunden) müssen spätestens innerhalb von sieben Tagen in gleicher Form nachgereicht werden. Für die übrigen Informationen (Urlaub, Fortbildung, Altersversorgung, Kündigungsverfahren, Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen et cetera) gilt eine Frist von einem Monat. Das Gesetz fordert für die Nachweise die »Schriftform« (Dokument mit eigenhändiger Unterschrift), ein Nachweis per E-Mail, Fax oder andere Formen sind grundsätzlich nicht ausreichend. Zu beachten ist schließlich, dass auch in Bezug auf bereits bestehende Arbeitsverhältnisse die meisten Informationen innerhalb erheblich verkürzter Fristen (sieben Werktage) nachgewiesen werden müssen, dies allerdings nur, soweit ein Arbeitnehmer den Arbeitgeber hierzu konkret auffordert. Änderungen der bestehenden Vertragsbedingungen sind künftig nicht erst einen Monat, sondern bereits an dem Tag, an dem sie wirksam sind, ebenso in Schriftform mitzuteilen.
Diese Angaben müssen nun zusätzlich auffgeührt werden
Im Folgenden werden die Arbeitsbedingungen aufgeführt, welche zusätzlich zu den bereits in der damaligen Fassung des § 2 Abs. 1 NachwG genannten Arbeitsbedingungen aufgenommen wurden:
- Angabe des Enddatums bei befristeten Arbeitsverhältnissen;
- Angabe der Möglichkeit, dass die Mitarbeiter ihren Arbeitsort frei wählen können, sofern dies vereinbart ist;
- Dauer einer vereinbarten Probezeit;
- Vergütung von Überstunden;
- Zeitpunkt der Fälligkeit des Arbeitsentgelts und die Form, in der das Arbeitsentgelt ausgezahlt wird (Zulagen/ Zuschüsse/ Sonderzahlungen et cetera sind separat nachzuweisen);
- vereinbarte Ruhepausen und Ruhezeiten sowie bei vereinbarter Schichtarbeit das Schichtsystem, der Schichtrhythmus und Voraussetzungen für die Schichtänderungen;
- Konkretisierende Angaben bei Arbeit auf Abruf;
- Voraussetzungen für die Anordnung von Überstunden;
- Mitteilung, ob vom Arbeitgeber betriebliche Fortbildungen angeboten werden;
- Name und Anschrift des Versorgungsträgers der betrieblichen Altersversorgung;
- Das bei der Kündigung des Arbeitsverhältnisses von Arbeitgeber und Mitarbeitenden einzuhaltende Verfahren, mindestens aber das Schriftformerfordernis und die Fristen für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses sowie die Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage;
- Hinweise zu geltenden beziehungsweise anwendbaren Tarifverträgen, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen.
Wie ist das neue Nachweisgesetz in der Praxis umzusetzen?
Wie genau die neuen Regelungen umzusetzen sind beziehungsweise wie konkret und umfassend die geforderten Nachweise letztlich sein müssen, kann derzeit nicht abgesehen werden, denn weder der Gesetzestext des NachwG noch die Gesetzesbegründung geben Aufschluss über die genauen Anforderungen an die Arbeitgeber. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass auch zukünftig ein Verweis auf die gesetzlichen beziehungsweise tarifvertraglichen Regelungen, insbesondere auch das Kündigungsschutzgesetz möglich sein wird und ausreichend ist – natürlich nur dann, wenn diese Regelungen auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finden. Letztlich wird – wie in vielen anderen Fällen – die Justiz in der Zukunft darüber zu befinden haben, ob ein gegebener Nachweis ausreichend war und ist.
Nach wie vor entfällt die Verpflichtung zu den vorgenannten Nachweisen, soweit dem Arbeitnehmer ein schriftlicher Arbeitsvertrag ausgehändigt wurde, der alle notwendigen Angaben enthält.
Neu ist schließlich ebenso, dass bei Verstößen gegen die vorgenannten Pflichten (Schriftform/ Vollständigkeit/ Richtigkeit) nun, neben den weiterhin bestehenden arbeitsrechtlichen Sanktionen (Schadensersatz/ Beweislastnachteile), die Einleitung eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens mit Festsetzung eines Bußgeldes von bis zu 2.000 Euro pro Verstoß droht. Arbeitgeber sollten daher die vorgenannten Verpflichtungen keinesfalls unbeachtet lassen und ihre Personalverwaltung entsprechend den neuen Anforderungen organisieren.
EU-Arbeitsbedingungenrichtlinie: Was hat sich noch geändert?
Teilzeitbeschäftigte können zukünftig nach Ablauf von sechs Monaten Änderungswünsche im Hinblick auf ihre Arbeitszeit äußern, insbesondere auch den Wechsel in eine Vollzeittätigkeit verlangen. Die Arbeitgeber müssen in diesem Fall innerhalb eines Monats eine begründete Antwort liefern. Wird diese Frist versäumt oder keine Begründung geliefert, liegt eine Pflichtverletzung vor, welche gegebenenfalls Schadensersatzansprüche nach sich ziehen kann. Arbeitnehmer, welche sich in befristeten Arbeitsverhältnissen befinden, können zukünftig einmal pro Jahr die Entfristung des Arbeitsverhältnisses verlangen (ebenso nach mindestens sechs Monaten Beschäftigungszeit). Auch auf ein solches Begehren müssen Arbeitgeber zukünftig innerhalb eines Monats begründet antworten.
Auch bei der »Arbeit auf Abruf« gibt es nicht nur unerhebliche geänderte Vorgaben. Hier sind Arbeitgeber zukünftig unter anderem dazu verpflichtet, einen Zeitrahmen (Referenzstunden und -tage) zu vereinbaren, innerhalb dessen die Arbeit abgerufen werden kann (und außerhalb dessen keine abgerufen werden darf).
- Daniel Roth
Rechtsanwalt
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