Wer trägt die Beweislast bei Übermittlung eines Steuerbescheids?
Steuerbescheide entfalten erst nach Zustellung ihre Rechtskraft. Wer trägt bei vermeintlicher Nichtzustellung die Beweislast? Das Urteil des Finanzgerichts Köln haben wir für Sie zusammengefasst.
Steuerbescheide sind Verwaltungsakte, die erst mit Bekanntgabe ihre Rechtskraft entfalten. In den Mittelpunkt rückt in diesem Zusammenhang die formale Übermittlung eines Bescheids an den Adressaten, damit dieser dessen Inhalt zur Kenntnis nehmen kann. Lässt sich der Zugang im Zweifel nicht nachweisen, kann das Finanzamt zum Beispiel geltend gemachte Steuerforderungen (zumindest vorübergehend) rechtlich nicht durchsetzen.
Bei der Übermittlung von Steuerbescheiden kommt die »Drei-Tage-Bekanntgabefiktion« zum Tragen. Diese besagt, dass ein Steuerbescheid grundsätzlich am dritten Werktag nach Aufgabe zur Post als übermittelt und damit bekanntgegeben gilt.
Die Bekanntgabefiktion hat aber ihre Tücken, was die zahlreichen gerichtlichen Auseinandersetzungen rund um dieses Thema verdeutlichen. Auch das Finanzgericht Köln musste sich unlängst mit der Frage auseinandersetzen: Hat das Finanzamt einen Einkommensteuerbescheid tatsächlich übermittelt und damit bekannt gegeben?
Ein Steuerpflichtiger bestritt den Zugang des vom Finanzamt erstellten Einkommensteuerbescheids 2019, in der eine Steuerzahlung in Höhe von immerhin rund 54.000 Euro festgesetzt wurde. Der Bescheid wurde mit Datum 7. Mai 2021 vom Rechenzentrum der Finanzverwaltung versandt, vermeintlich übermittelt und dadurch im Juni 2021 bestandskräftig.
Der Steuerpflichtige (= Empfänger des Steuerbescheids) teilte dem Finanzamt allerdings im Juli 2021 mit, er hätte im Mai keinen Einkommensteuerbescheid erhalten. Eine Steuernachzahlung war von daher auch noch nicht erfolgt.
Aufgrund der unterschiedlichen Ansichten den Zugang des Steuerbescheids betreffend und mangels einer außergerichtlichen Einigung kam es zu einem Gerichtsprozess. In den Fokus rückte die Frage, ob das Finanzamt den behaupteten Zugang des Einkommensteuerbescheids beweisen könne, denn dann wäre auch die Steuerfestsetzung rechtskräftig erfolgt.
Das Finanzgericht Köln wies darauf hin, dass es ausreichender Indizien seitens des Finanzamtes bedürfe, um den Zugang des Einkommensteuerbescheids 2019 glaubhaft zu machen. Ein bloßer Anscheinsbeweis reiche nicht aus. Dem Finanzamt gelang es durch interne Ermittlungen, genügend Indizien zusammenzutragen: Nach einer Mitteilung des Rechenzentrums der Finanzverwaltung Nordrhein-Westfalen war der betreffende Einkommensteuerbescheid Inhalt einer genau gekennzeichneten Druckdatei und trug die Sendungsnummer 1. Exakt diese Sendungsnummer wurde nach einer Auskunft der Deutschen Post AG auch bei ihr am 7. Mai 2021 eingeliefert und am selben Tag als Kompaktbrief bearbeitet. Die Sendung war korrekt adressiert und maschinell gut erfasst. Fehler wurden bei der Bearbeitung durch die Post nicht ausgewiesen.
Vor dem Hintergrund der vom Finanzamt vorgelegten Unterlagen hatte das Finanzgericht letztlich keine ernstlichen Zweifel daran, dass der Einkommensteuerbescheid 2019 tatsächlich am 7. Mai 2021 bei der Post aufgegeben und daher am 10. Mai 2021 bekannt gegeben wurde (Beschluss vom 8.11.2021, 11 V 1709/21).